04 Titelthema Alles rund um den weißen Traum Lautlos fallen die sanften Flocken vor dem Fenster. Die Landschaft hat sich in einen Wintertraum verwandelt. Kaum ein Geräusch ist zu hören. Alles ist ruhiger, langsamer, gedämpfter – Schnee verwandelt nicht nur unsere Umgebung, sondern auch uns selber. Seit jeher faszinieren die kleinen Flocken die Menschen und lassen uns von weißer Weihnacht träumen. Aber Schnee kann noch viel mehr ... Weich und unschuldig wirken die weißen Flocken. Sie lassen das Grau des Novem- bers verschwinden, verwandeln die tris- ten Straßen und abgeernteten Felder in eine beeindruckende Winterlandschaft. Scheint die Sonne, werden ihre Strahlen vom Weiß des Schnees reflektiert, alles erscheint gleich viel heller. Der Alltags- lärm wirkt gedämpfter, eine wohltuende Stille breitet sich aus. Möglich macht das die eingeschlossene Luft zwischen den einzelnen Flocken. Ein langer Winterspaziergang wird so zur Wohltat für Körper und Seele. Und Schnee macht auch Spaß: Was wäre der Winter ohne Schlittenfahren, Schneeballschlacht und selbst gebaute Schneemänner? Grund genug, den Schnee genauer unter die Lupe zu nehmen. Wie bildet sich Schnee überhaupt? Der weiße Zauber entsteht, wenn sich in höheren, kalten Luftschichten kleine Tropfen unterkühlten Wassers an Kristal- lisationskeimen, wie etwa Staubteilchen oder Rußpartikeln, anlagern und dort gefrieren. Allerdings passiert dies nur, wenn in den Wolken Temperaturen zwischen minus vier und minus 20 Grad Celsius herrschen. Ist es kälter, schneit es in der Regel nicht mehr, da die Luft zu trocken ist. Die größte Chance auf Schnee besteht, wenn die Temperaturen bei uns am Boden um den Gefrierpunkt liegen. Die zunächst winzigen Schnee- kristalle legen den weiten Weg zur Erde zunächst noch in den Wolken zurück und werden stetig größer und vielfältiger, weil sich immer mehr Wasserdampf an ihnen festsetzt. Bei ihrer Reise passieren sie verschiedene Luftschichten und neh- men je nach Temperatur und Luftfeuch- tigkeit unterschiedliche Grundformen an. So bilden sich bei tieferen Tempera- turen Plättchen und hohle Prismen, bei höheren Temperaturen Eisnadeln. Am häufigsten sind sogenannte Dendriten mit vielen Verästelungen, die an Sterne erinnern – der typische Schneekristall. Warum ist Schnee weiß? Obwohl kein Schneekristall dem an- deren gleicht, haben sie eins gemein: Sie sind immer sechseckig, was mit der molekularen Struktur des Wassers zusammenhängt. Die Kristalle fallen meist jedoch nicht einzeln zu Boden, sondern sind zu mehreren durch kleine Wassertropfen miteinander verbunden – das bezeichnen wir dann als Schnee. Je milder die Temperaturen, desto größer und feuchter sind die Flocken. Durch den Einfluss von Wind, Sonne, Tempe- ratur und sonstigen Niederschlägen wird aus frischem Schnee nach und nach körniger Altschnee. Warum aber ist Schnee weiß und nicht durchsichtig, obwohl er aus gefrorenem Wasser besteht? Das liegt daran, dass sich die vielen Kristalle wie kleine Spiegel verhalten, die das Licht unter- schiedlich brechen. Trifft ein Lichtstrahl auf eine Schneeflocke, wird er mehrfach gebrochen und das weiße Licht vollständig reflek- tiert. Vermischt sich der Schnee mit Dreck, nimmt er Schat- tierungen bis hin zu schmuddeligem Grau an. Wichtiger Wärmeisolator Schnee ist nicht bloß schön anzuschau- en, er ist auch in vielerlei Hinsicht für Lebewesen von Bedeutung. So schützt er unzählige Pflanzen und Tiere während der kalten Jahreszeit vor dem Erfrieren. Denn so seltsam es klingen mag – Schnee wärmt. Da frisch gefallener Es schneit, es schneit, kommt alle aus dem Haus ... Schnee zu bis zu 95 Prozent aus einge- schlossener Luft besteht, ist er ein guter Wärmeisolator. Einige Tiere lassen sich bei heftigem Schnee einfach einschnei- en und überstehen auf diese Weise selbst starke Stürme und strengen Frost. Unter einer wärmenden Schneedecke sind ebenso zahlreiche Pflanzen vor den eisigen Winden geschützt. Wir Menschen nutzen diese Isolierwirkung des Schnees beim Bau von Iglus. Schnee wirkt sich zudem auf unser Klima aus. Global gesehen hat die Schnee- decke einen immensen Einfluss auf die Energiebilanz. Sie wirft bis zu 85 Prozent der einfal- lenden kurzwelligen Sonnenstrahlung zurück, was die Temperaturen im Winter deutlich senkt und das Abschmelzen im Frühling verzögert. Zudem erfüllt Schnee eine wichtige Funktion als temporäres Wasserreservoir: Er sammelt die Nieder- schläge und gibt sie bei der Schmelze schnell wieder frei. Insgesamt circa 2,6 Prozent des gesamten Wassers auf der Erde sind übrigens dauerhaft in Eis und Schnee gebunden – in Form von Gletschern, Eisbergen und Schnee auf Berggipfeln. Flocken aus der Kanone Auch die Ski- und Tourismusindustrie in den Wintersportregionen ist vom Schnee abhängig. Zahlreiche Hotels, Restau- rants, Geschäfte und Skischulen leben quasi ausschließlich von den Umsätzen der Wintermonate. WohnWert 2_2023